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Spontane Zweisamkeit

Wenn sich früher über Land zwei Jogger entgegenkamen, war es üblich zu Grüßen. Ein Fingerzeig, eine gehobene Hand, ein Nicken, vielleicht sogar ein ländliches ›Servus‹. Zwischen Gerste und Roggen entstand so dieser kurze Moment der Zweisamkeit, wenn man sich begegnete, die Hand kurz hob, während sie dann wieder nach hinten fiel, dem gleichmäßigen Stoßen und Ziehen der Jogginghandbewegung folgend.

Man grüßte eher nicht, wenn man überholt wurde oder jemanden überholte. Es gab dieses ungeschriebene Gesetz, dass die Überhol-Schmach nicht auch noch durch einen Gruß markiert werde. Es wurde still und leise überholt. Außer dieses eine Mal, als mir ein vorbeiziehender Rentner bescheinigte, er sei in diesem Alter den Alten davongelaufen.

Nach Feldern, einem Wald und entlang eines Flusses führte der letzte Weg meiner Runde damals immer durch ein Wohngebiet. Zurück in der Zivilisation ließ das Gegrüße nach. Zwischen Autos und spielenden Kinden waren auch hier noch manche Jogger unterwegs. Aber je näher an anderem Verkehr, je näher einer Haustüre, desto weniger Jogger-Servus.

Später ließ das Grüßen nach. In der Universitätsstadt dachte ich noch, es läge an den vielen Joggern; man käme ja gar nicht mehr heraus aus dem Grüßen. In den Großstädten wurde dann gar nicht mehr beim Joggen gegrüßt. Nun lief man sich unbewegt entgegen. Andere Läufer blieben schlicht eins mit der Masse der Verkehrsteilnehmenden.

In der Zeit habe ich so manche irritierten Blicke gesammelt, die meine unvermittelten Grüße auslösten, und wie Schätze verwahrt. Bis zu diesem einen Tag.

Es war ein Mittwoch im Sommer und nach drei langen und heißen Wochen regnete es seit um vier Uhr morgens. Mal mehr mal weniger. Die Stadtoberen hatten einen Waschtag beschlossen, zu dem die Luft wieder vollständig hergestellt werden sollte, die Grünflächen gewässert, die Kanalisation überfordert. Im Innenhof konnte ich den Regen mal eher von rechts, dann zeitweise stark von links kommen sehen.

Elf Stunden hatte ich dem Regen gelauscht, dann musste ich los. Auf nassen Gehwegplatten, vorbei an kauernden Regenschirmen, hinein in den spärlich besuchten Park. Keine Jogger weit und breit. Dann über die Straße, am Sportplatz entlang, hinein in den nächsten Park.

Eine Stunde Sport. Zwei andere Jogger. Zweimal sehr freundlich und enthusiastisch gegrüßt, selbst gegrüßt, zurückgegrüßt, gegrüßt worden. Sogar ohne mein Zutun wäre hier gegrüßt worden.

Und da war er wieder. Dieser kurze Moment der Zweisamkeit. Du gehörst dazu. Und du auch. Wir laufen doch alle in den selben nassen Turnschuhen, sagen diese Grüße. Ja, auch ich laufe jetzt geradewegs durch Pfützen. Toll, dass du es rausgeschafft hast. Weiter so. Ein kurzer Moment der Zweisamkeit, der erst in der Einsamkeit entsteht.